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Ein Laptop mit geöffnetem WordPress-Editor steht auf einem Bett
Foto: © Striving Blogger/unsplash.com

Barrierefreiheit-Plugins für WordPress & Co.

Rund ein Drittel aller Webseiten wird mit WordPress betrieben. Attraktiv ist es auch deshalb, weil die Einstiegshürden sehr gering sind: Das System ist Open Source und damit kostenlos verfügbar, die Bedienung gilt als einfach und die Community ist vielleicht so groß und lebendig wie bei keinem anderen Content-Management-System. Plugins gibt es en masse – inzwischen auch zur Umsetzung der Barrierefreiheit, kostenlos oder kostengünstig. Sie heißen »UserWay«, »AccessiBe« oder »One Click Accessibility«. Beworben wird also sogar die Barrierefreiheit mit einem Klick. Das ist ein vollmundiges Versprechen.

Vor allem in den USA, wo es mit dem ADA (Americans with Disabilities Act) eine strengere Gesetzgebung zur Barrierefreiheit gibt, sind solche Plugins sehr beliebt. Der Markt mit Anbietern, die sogenannte Accessibility-Overlays entwickeln, blüht. Aber auch in Deutschland halten entsprechende Plugins mehr und mehr Einzug. Inzwischen gibt es auch deutsche Start-ups, die sich dem Ziel verschrieben haben, Barrierefreiheit so einfach umzusetzen. Sie können entweder als Plugin in ein Content-Management-System (CMS) oder mittels JavaScript in praktisch jede Webseite eingebettet werden.

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Funktion und Nutzen

Die Funktionen umfassen fast immer ein Vergrößern der Inhalte, verschiedene Farbmodi, Einstellungen zur Typografie und teilweise sogar integrierte Screenreader. Die Kernfunktionalität liegt also meistens in einer funktionsreichen Toolbar, die in die Webseite integriert wird. Das klingt nach dem Abbau von Barrieren, allerdings muss man verstehen, wie Menschen mit einer Behinderung oder Beeinträchtigung das Internet nutzen. Weil sie nicht jede Webseite mühsam und händisch mittels der Toolbar aufs Neue konfigurieren wollen, haben Menschen, die einen Screenreader nutzen, in aller Regel einen Screenreader auf dem Endgerät installiert. Einen echten Bedarf, einen weiteren Screenreader über ein Plugin anzubieten, gibt es nicht.

Ähnlich verhält es sich mit der Skalierung von Inhalten oder anderen visuellen Einstellungen. Zwar gibt es auf barrierefreies.design auch eine Lupe zum Vergrößern, allerdings hat sie eher einen symbolischen Charakter. Für eine Barrierefreiheit muss die Skalierung browserseitig funktionieren, also mit Bordmitteln. Das kann man leicht über die Tastenkombinationen [STRG] und [+] zum Vergrößern beziehungsweise [STRG] und [-] zum Verkleinern testen: Bis 200 Prozent muss eine Webseite nach den Web Content Accessibility Guidelines in der Stufe AA vergrößert werden können. Menschen mit einer Sehbehinderung haben ihr Endgerät in der Regel bereits so konfiguriert, dass meist ihr ganzes Betriebssystem samt dargestellter Inhalte, einschließlich der Webseiten, automatisch skaliert wird. Mit anderen Worten: Eine Zoom-Funktion über eine eingebettete Toolbar ist für die Barrierefreiheit in der Regel nicht relevant, weil man auch einen Zoom im Betriebssystem oder im Browser einstellen kann, der dann auf alle Webseiten angewendet wird.

In einigen Fällen können solche Funktionen auch kontraproduktiv sein, wenn sie die Navigation mit Hilfstechnologien stören. Lesenswert sind dazu einige geschilderte Erfahrungswerte auf overlayfactsheet.com.

Das größere Problem liegt allerdings im Versprechen der Barrierefreiheit, das diese Plugins teilweise geben. Es verleitet dazu, Barrierefreiheit fälschlicherweise mit der Installation eines Plugins für sich abzuhaken, aber der Großteil der Barrieren kann damit nicht behoben werden. Demzufolge stellen diese Plugins auch keine Konformität mit der Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung (BITV) oder den Web Content Accessibility Guideslines (WCAG) her.

Mensch versus Maschine

Es ist ähnlich wie bei automatischen Tests zur Barrierefreiheit: Trotz Werbeversprechen mit künstlicher Intelligenz lassen sich Barrieren nicht vollautomatisch testen. Die Non-Profit-Organisation WebAIM schickt ihren Testergebnissen sogar voraus, dass dies kein manuelles Prüfen ersetzt. Aber auch für alle andere Tools gilt die Einschätzung der Web Accessibility Initiative, die für die WCAG verantwortliche Arbeitsgruppe: Diese Tools helfen dabei, potenzielle Probleme zu finden. Sie können einen Menschen assistieren. Ein Ersatz für eine menschliche Prüfung sie nicht.

Dafür fehlt Maschinen bisher ein kontextuelles Verständnis, beispielsweise ob das Bedienkonzept schlüssig ist, die Steuerung via Tastatur angemessen funktioniert oder ein Kaufprozess im Online-Shop vom Warenkorb bis zur Bezahlung barrierefrei umgesetzt ist.

Die Plugins und Accessibility-Overlays gehen in ihrem einfachen Versprechen manchmal sogar noch einen Punkt weiter und behaupten, sie könnten diese Barrieren sogar beheben. Aber selbst künstliche Intelligenz tut sich schwer damit, einem Bild einen qualitativ-hochwertigen Alternativtext zu verleihen, wenn dieser fehlt. Sie können nicht zuverlässig eine schlechte Tastatursteuerung beheben, Formularfelder richtig labeln oder im Problemfall hilfreichere Fehlermeldungen ausgeben. Das Beiseiteräumen dieser Barrieren kann aus menschlicher Perspektive trivial sein, aber Menschen sind noch nicht dazu in der Lage. Und: Selbst die Funktion zum Vergrößern ist nur zuverlässig, wenn das WordPress-Theme es hergibt.

Datenschutz und Privatsphäre

Kritisch werden solche Toolbars auch deshalb bewertet, weil ihre Nutzung preisgibt, eine Behinderung zu haben. Durch die vielen verschiedenen Modi kann aus der Nutzung teilweise detailliert abgelesen werden, welche Behinderung vorliegt. Das ist eine sensible Information, die Betroffene nicht unbedingt teilen möchten. Für den Betrieb der Seite stellen sich datenschutzrechtliche Fragen, weil die Plugins und Overlays oft Ressourcen auf fremden Servern einbetten.

Fazit

Ich habe etwas überlegt, ob ich zu diesem Thema einen Artikel verfasse. Schließlich haben alle Beteiligte das Ziel, ihre Webseite zugänglicher umzusetzen. Aber »gut gemeint« ist nicht immer »gut gemacht«: Vollautomatisch lässt sich die Barrierefreiheit nicht herstellen. Mitunter erschweren solche Tools sogar die Bedienung.

Ebenso ist Barrierefreiheit zwar ein vielschichtiges Thema, aber es gibt durchaus einfache Zugänge zu dem Thema, mit denen schon viel erreicht ist. Das betrifft meistens beispielsweise schon gute Alternativtexte für Bilder oder eine logische Struktur der Überschriften. Speziell bei WordPress ist ratsam, bereits das Theme nach Kriterien der Barrierefreiheit auszuwählen. Gliedert es den Inhalt semantisch? Ist es komfortabel mit der Tastatur zu bedienen? Mit der Berücksichtigung dieser Aspekte ist meist mehr erreicht als mit der Installation eines Plugins.