direkt zum Inhalt
Straßenkunst auf einer Backsteinwand mit einem Finger, der auf etwas zeigt
Foto: © Shane Guymon/unsplash.com

Neun Mythen über barrierefreie Webseiten

Die Bedeutung von barrierefreiem Webseiten nimmt ständig zu, allem voran steht der Inklusionsgedanke. Dieser wird vielen Unternehmen und Institutionen immer wichtiger – wegen einer eigenen sozialen Verantwortung, einem besseren Image und neuen Standards. Es wird viel geredet über Barrierefreiheit, aber nicht alles davon ist zwangsläufig wahr. Eine kurze Zusammenstellung von Mythen.

Mythos 1: Barrierefreiheit schränkt Funktion oder Design ein

Ich glaube, dieses Vorurteil ist am geläufigsten. Barrierefreiheit ist in mancher Vorstellung etwas Unschönes, Langweiliges. Der Mythos hat vielleicht seinen Ursprung in früheren Zeiten des Internets. Früher ließen sich mit Adobe Flash beispielsweise bildgewaltige, beeindruckende Animationen umsetzen, was überhaupt nicht barrierefrei war. Die Alternative war seinerzeit eine Textversion des Inhalts. Aber mit modernen Webstandards lassen sich schon seit einigen Jahren ästhetische, interaktive und barrierefreie Webseiten umsetzen. Auch Richtlinien zur Umsetzung von Barrierefreiheit verbieten keine Bilder, Interaktionen oder Videos. Das Ziel von Barrierefreiheit ist, die Inhalte möglichst vielen Menschen ohne fremde Hilfe zugänglich zu machen. Speziell bei Videos lassen sich Untertitel oder Transkripte technisch einfach umsetzen, Bilder mit alternativen Texten versehen oder interaktive Elemente mit Steuerelementen versehen.

Ganz grundsätzlich kann man hier direkt die Frage aufwerfen: Kann Design, das nicht für möglichst viele Menschen funktioniert, überhaupt gutes Design sein?

Mit barrierefreiem Webdesign mehr Menschen erreichen

Nehmen Sie den Kontakt für eine persönliche Beratung auf:

Ein Projekt anfragen

Mythos 2: Barrierefreies Webdesign ist teuer und kompliziert umzusetzen

Barrieren zu beheben ist mitunter aufwendig. Das passiert, wenn die Webseite aus einer Perspektive heraus umgesetzt wird, die leider allzu oft von Idealsituationen ausgeht. Barrierefreies Webdesign hingegen erweitert diese Perspektive frühzeitig um Aspekte der Barrierefreiheit, sodass Barrieren schon vermieden werden, bevor sie gebaut werden.

Mythos 3: »Mit alternativ-beschriebenen Bildern geht es schon!«

Nachdem Twitter, Instagram und andere soziale Netzwerke die Funktion implementiert haben, wurde einer breiteren Masse deutlich, dass die Bilder im Internet relativ unkompliziert mit alternativen Texten versehen werden können. Diese alternativen Texte für Bilder können wiedergegeben werden, wenn Hilfstechnologien wie Braillezeilen oder Screenreader aktiviert sind. Manchmal wird Barrierefreiheit deshalb mit dem Vorhandensein der alternativen Texte gleichgesetzt, aber auch eine Webseite mit alternativ-beschriebenen Bildern kann vielen Menschen nicht zugänglich sein. Und umgekehrt braucht es für die Barrierefreiheit nicht zwangsläufig immer einen alternativen Text. Für Bilder, die rein dekorativ sind und auch sonst keinen Zweck erfüllen, braucht es keinen alternativen Text. Dort kann er sogar stören.

Mythos 4: Barrierefreiheit ist nur für blinde Menschen

Diskussionen um barrierefreie Webseiten drehen sich oft um die Optimierung für Screenreader oder starke Farbkontraste. Beides braucht es auch, aber das Thema ist weitaus größer. Es geht auch um Menschen mit motorischen Einschränkungen, denen man die Bedienung der Webseite über die Tastatur oder andere Eingabemethoden erleichtern kann. Dazu gehört auch, Schaltflächen in entsprechenden Abständen und Größen zueinander zu positionieren. Es geht auch um Menschen mit kognitiven Einschränkungen wie bei Lern- oder Leseschwierigkeiten, funktionalem Analphabetismus, Demenzerkrankungen und Hirnschädigungen, denen man die Kontaktaufnahme durch barrierefreie Formulare erleichtern oder zusätzliche Inhalte in Leichter Sprache bieten kann. Es geht auch um Menschen mit Störungen des vestibulären Systems, denen man unangenehme Gefühle des Schwindels mit dem Verzicht auf Animationen, die nicht dem natürlichen Bewegungsgefühl entsprechen, erspart.

Mythos 5: Barrierefreiheit geht automatisch

Es gibt Anbieter, die eine barrierefreie Webseite mit der Einbettung eines Widgets, Overlays oder Plug-ins versprechen. Es ist ähnlich wie bei automatischen Tests zur Barrierefreiheit: Trotz Werbeversprechen mit künstlicher Intelligenz lassen sich Barrieren nicht vollautomatisch testen oder im nächsten Schritt gar beheben. Dafür fehlt Maschinen bisher ein kontextuelles Verständnis, beispielsweise ob das Bedienkonzept schlüssig ist, die Steuerung via Tastatur angemessen funktioniert oder ein Kaufprozess im Online-Shop vom Warenkorb bis zur Bezahlung barrierefrei umgesetzt ist. Ebenso tut sich künstliche Intelligenz schwer damit, einem Bild einen qualitativ-hochwertigen Alternativtext zu verleihen, wenn dieser fehlt. Sie können nicht zuverlässig eine schlechte Tastatursteuerung beheben, Formularfelder richtig labeln oder im Problemfall hilfreichere Fehlermeldungen ausgeben. Das Beiseiteräumen dieser Barrieren ist aus menschlicher Perspektive oft trivial, aber Maschinen sind noch nicht dazu in der Lage.

Mythos 6: Barrierefreiheit ist ein »Nice to have«

Barrierefreiheit ist nach meinem Verständnis keine Option oder ein »Nice to have«, sondern sollte als Ermöglichung der Selbstbestimmung und digitalen Teilhabe für viele Menschen begriffen werden. Für öffentliche Stellen ist Barrierefreiheit deshalb verpflichtend, aber auch Unternehmen sehen dort ihre soziale und gesellschaftliche Verantwortung. Obendrein profitieren Unternehmen direkt davon, wenn sie ihre Botschaften möglichst vielen Menschen zugänglich zu machen.

Mythos 7: »Meine Zielgruppe braucht keine Barrierefreiheit!«

Das kann man selten so sicher sagen. Die wenigsten Menschen machen sich die Arbeit und beschweren sich, wenn sie auf Barrieren stoßen. Es ist deutlich einfacher zu schauen, wo die Kommunikation und Information stattdessen zugänglicher ist.

Mythos 8: Für die Barrierefreiheit sind die Webdesigner*innen verantwortlich

Barrierefreiheit muss interdisziplinär umgesetzt werden und liegt in der Verantwortung von allen, die daran beteiligt sind – während der Planung, Konzeption, Gestaltung, Programmierung und der redaktionellen Arbeit. Eine Webseite, die technisch weitestgehend barrierefrei umgesetzt ist, kann vielen Menschen kaum zugänglich sein, wenn die Struktur der Inhalte sich nicht erschließt.

Mythos 9: Die Vorteile von barrierefreiem Webdesign sind nicht relevant

Oft wird völlig verkannt, dass barrierefreies Webdesign viele Vorteile mit sich bringt. So gehen beispielsweise viele Maßnahmen Hand in Hand mit Suchmaschinenoptimierung (SEO), weil ein semantischer Quellcode mit logisch strukturierten Inhalten nicht nur von Hilfstechnologien besser interpretiert werden kann, sondern auch von den »Crawlern« der Suchmaschinen. Barrierefreie Webseiten zeichnen sich wegen des schlüssigen Bedienkonzepts auch durch eine hohe Usability aus. Sie müssen skalierbar gestaltet sein, deshalb werden sie im Responsive Design umgesetzt. Damit sind sie für die mobile Nutzung ideal vorbereitet.