Ein Internet für alle
1993 geboren, zähle ich zu der ersten Generation der »Digital Natives«, also jener Menschen, die mit dem Internet aufgewachsen sind. Google hatte noch lange eine Serifenschrift mit 3D-Effekten im Logo und Facebook steckte in Deutschland in den Kinderschuhen, als ich begann, eine Begeisterung für das Internet zu entdecken. Das knarzende Modem war der Raketenstart in ein Weltall irdischer Natur: Es ist ein Raum von ungeahnter Größe, von Neugierde, von Erfindungs- und Entdeckergeist. Und auch von Gleichheit. Wer einen Zugang zum Internet hat, hat einen (heute mehr oder weniger) unregulierten Zugang zu Kommunikation und Information. Durch die dezentrale Struktur des Internets ist es heute noch ein ungehaltener Gegenpol zu großen Medienkonzernen und autoritären Staaten. In der Idee gibt das Internet jedem Menschen eine Stimme: Bits und Bytes unterscheiden sich hauptsächlich in der Abfolge der Nullen und Einsen, aber nicht zwischen den Menschen am anderen Ende der Leitung. Diese Idee hat das Internet groß gemacht und die Welt verändert. Ganz gleich, ob es fast pathetisch um Wissen und Bildung geht oder nicht auch genauso gerne um Urlaubsfotos oder lustige Katzenvideos geht.
Wofür ich als hauptsächlich kerngesunder Mensch im Laufe der Zeit erst ein Verständnis gewonnen habe, ist, dass diese Idee der Gleichheit schon immer ihre Grenzen hatte. Selbst wenn wir davon ausgehen, dass jeder Mensch einen Zugang zum Internet hat, hat damit noch nicht jeder Mensch einen Zugang zu aller Kommunikation und Information. In Idealvoraussetzungen merken die meisten Menschen nicht, welche Barrieren sie mit jedem Klick überfliegen – dank unversehrter Seh- und Hörsinne, dank motorischen Fähigkeiten, dank eines Leseverständnisses.
Als gelernter Mediengestalter in Digital und Print habe ich ein Bild davon, wie diese Idealbedingungen allzu oft in der Gestaltung und Umsetzung von Werbematerialien unmerklich vorausgesetzt werden. Designer*innen verfügen mehr noch über topaktuelle Geräte und perfekt ausgeleuchtete Arbeitsplätze, die es ihnen erlauben, Webseiten zu gestalten, die mit weichen Kontrasten besonders harmonisch wirken sollen. Damit schließen sie aber viele Menschen aus. Wenn Texte, Schaltflächen und Links nicht über Mindestkontraste verfügen, können Sie von vielen Menschen mit einer Sehbeeinträchtigung nicht, unzureichend oder nur mit Mühe wahrgenommen werden.
Das ist ein augenscheinliches Beispiel für Barrieren im Webdesign. Kniffliger wird es in der Programmierung: So muss schon der Quelltext der Webseite einen semantisch-logischen Aufbau haben, damit Hilfstechnologien wie Screenreader oder Braillezeilen für blinde Menschen den Inhalt so verständlich wiedergeben können, wie er visuell präsentiert wird. Auch in der Bedienung gibt es Tücken: So darf nicht nur davon ausgegangen werden, dass sich nur mit der Maus durch die Webseite navigiert wird. Schlimmstenfalls bleiben ganze Teile der Webseite verborgen, wenn sie nicht über den Touchscreen, den blick- oder mundgesteuerte Cursor, den Joystick oder die Tabulator-Taste der Tastatur zu erreichen sind.
Und, es geht noch weiter: Schlimmstenfalls können Webseiten auch gesundheitliche Folgen hervorrufen. Starke Animationen, die nicht dem natürlichen Bewegungsgefühl des Menschen entsprechen, können bei vestibulären Störungen Schwindel und Kopfschmerzen auslösen. Aufblitzende Animationen können im schlimmsten Fall epileptische Anfälle auslösen.
Eine barrierefreie Webseite hat das Ziel, von allen Menschen ohne fremde Hilfe zugänglich und nutzbar zu sein. Es ist ein ungemein vielfältiges Thema, wie auch die interaktive Checkliste zum Test auf Barrierefreiheit zeigt und eine große Herausforderung, der ich mich schon länger stelle. Als Inhaber der Designagentur pepper konzipiere und gestalte ich bereits barrierefreie Webseiten. Weil ich überzeugt bin, dass die Bedeutsamkeit von Barrierefreiheit im Internet weiter stetig steigen wird, möchte dem Thema auf dieser Präsenz auch mehr Bedeutung schenken.
Ich würde mich freuen, wenn Sie öfter in diesem Blog vorbeischauen oder den Kontakt aufnehmen für ein individuelles Projekt.